Strahlenkalke vom Steinheimer Becken und dem Jebel Waqf as Suwwan
STUTTGART (ra). Das Steinheimer Becken gibt es noch ein zweites Mal, und zwar in Jordanien. Dort heißt es allerdings „Jebel Waqf as Suwwan“. Doch die Ähnlichkeiten sind frappierend.
Elmar Buchner und Martin Schmieder vom Institut für Planetologie der Universität Stuttgart sind sogenannte Impaktforscher. Sie untersuchen beispielsweise die Einschläge von Meteoriten auf unserer Erde. Erst kürzlich hatten sie mit der Entdeckung sogenannter Sphärulen in der Laierhöhle bei Geislingen und in der Laichinger Tiefenhöhle für Aufmerksamkeit gesorgt. Diese Mini-Kügelchen stammen aus dem All, könnten fast als Mini-Meteoriten bezeichnet werden und gelangten vermutlich nach großen Meteoriteneinschlägen in die Höhlensedimente.
Jetzt unternahmen die beiden Stuttgarter Forscher einer Reise nach Jordanien, eine Art „kosmische Reise“, wie sie Martin Schmieder nennt. Natürlich diente sie der Spurensuche. Im Mittelpunkt dabei Impaktstrukturen, also die Spuren solcher Ereignisse, bei denen Meteoriten auf die Erde trafen. „Ähnlich wie auf dem kraterübersäten Mond hinterlassen große Meteoriteneinschläge auch kreisrunde kosmische Narben auf der Erde“, erklärt Schmieder. 176 solcher Impaktstrukturen, sowohl Krater in frischem Erhaltungszustand als auch über die Jahrmillionen durch Erosion abgetragene oder durch Gesteinsschichten überdeckte Strukturen, sind momentan auf unserem Planeten bekannt. Das rund 24 Kilometer große und 14,4 Millionen Jahre alte Nördlinger Ries sowie dessen altersgleicher kleinerer Bruder, das etwa 3,8 Kilometer große Steinheimer Becken, dürften bei uns im Süden Deutschlands die bekanntesten sein. „Beide rangieren unter den weltweit am besten erhaltenen Meteoritenkratern und faszinieren seit Jahrzehnten Wissenschaftler aus aller Welt“, sagt Schmieder. Jüngst wurden solche oberflächlichen Impaktstrukturen auch in Jordanien entdeckt: der Jebel Waqf as Suwwan, ein so genannter komplexer Impaktkrater mit rund sechs Kilometern Durchmesser. In seiner Mitte erhebt sich ein markanter Zentralhügel, wie man ihn auch vom Steinheimer Becken kennt – hier bildet der Zentralhügel die Erhebung um Steinhirt und Klosterberg, erklärt Schmieder. Der Jebel Waqf as Suwwan liegt in der jordanischen Wüste nahe der saudi-arabischen Grenze und wurde im Jahr 2006 durch ein deutsch-jordanisches Team von Geologen erstmals als Meteoritenkrater beschrieben. Im Rahmen der ersten arabischen Konferenz für Impaktkraterforschung und Astrogeologie (AICAC) Mitte November in der jordanischen Hauptstadt Amman, besuchten unter Leitung der Universität von Jordanien und der Berliner Humboldt-Universität internationale Impaktforscher aus 18 Ländern den Jebel Waqf as Suwwan. Buchner und Schmieder waren mit von der Partie
So groß die Entfernung und die landschaftlichen Unterschiede zwischen der Ostalb und der Wüste Jordaniens auch sein mögen, so viele Gemeinsamkeiten besitzen der Jebel Waqf as Suwwan und das Steinheimer Becken, erklärt Schmieder: eine vergleichbare komplexe Kraterform mit Zentralhügel und erhöhtem Kraterrand, eine ähnliche Beschaffenheit der vom Einschlag betroffenen Gesteine (Kalk- und Sandsteine) sowie der Zeitpunkt des Einschlags, der in beiden Fällen in der Tertiärzeit stattfand.
Genau wie im Steinheimer Becken bildeten sich in den Gesteinen des Zentralhügels vom Jebel Waqf as Suwwan sogenannte „Strahlenkalke“, die von der Wissenschaft als „shatter cones“ bezeichnet werden und die auf der Erde grundsätzlich nur bei großen Meteoriteneinschlägen entstehe.
Für die Wissenschaftler Buchner und Schmieder der Universität Stuttgart, die bereits mehrere wissenschaftliche Beiträge zu Nördlinger Ries und Steinheimer Becken verfasst haben, war besonders interessant, diesen Meteoritenkrater vom Typ des Steinheimer Beckens in einer Steinwüste ohne Pflanzenbedeckung studieren zu können. „So offenbaren sich die gewaltigen Kräfte, die die Erdkruste während des Einschlags schlagartig verformen, direkt im Gelände“, schwärmt Buchner. „Wir haben die Gelegenheit genutzt, um unseren jordanischen Kollegen um Professor Salameh von der Universität in Amman einige unserer schönsten Steinheimer Strahlenkalke im Zentrum des Jebel Waqf as Suwwan zu überreichen und dort im Gegenzug jordanische ’shatter cones‘ aufzusammeln“, freut sich der Geologe Martin Schmieder. „Und mit unseren aktuellen Ergebnissen zum Ries-Steinheim-Ereignis sowie den Steinheimer Strahlenkalken hoffen wir, das Steinheimer Becken auch in der arabischen Fachwelt ein wenig bekannter gemacht zu haben“.